8/29/2016

Willkommen bei den Amish !

Zum Ende des Augustes hatte ich mir einen Kurztrip der anderen Art ausgesucht - statt Städtetrip ging es aufs Land - genauer gesagt zum Amish Country in Ohio. In der Nähe von Millersburg und Berlin lebt die größte Amish Community in den Vereinigten Staaten.
Da die Amish sehr bibeltreu sind, sind am Sonntag fast alle Geschäfte, Museen etc geschlossen, sodass ich mir einen Tag Urlaub nahm und am Freitag morgen Richtung Süden startete. Knapp vier Stunden Fahrt - zur Hälfte bereits durch ländliches Gebiet - später kam ich im Hotel in Berlin an, dem 'Berlin Resort' (http://www.berlinresort.net). Das Hotel entpuppte sich als absolut richtige und tolle Wahl - mein Zimmer lag im oberen Stock des zweigeschossigen Bau und hatte einen großen Balkon mit Schaukel-Bank, der auf den kleinen Park und Teich hinausschaute. Zur Begrüßung gab es einen Oatmeal Cookie aus einer amishen Bäckerei.
Gestärkt machte ich mich auf den Weg zu meinem Einstieg in die Welt der Amish - dem Amish & Mennonite Heritage Center (http://behalt.com).


Der erste Teil der Besichtigung bestand aus einer Führung durch ein riesiges Cyclorama - ein Wandgemälde, welches einen großen kreisrunden Raum komplett bedeckte und die Geschichte der Mennoniten und Amish erzählte. Unser Guide war selbst Amish und führte uns durch die Entstehungsgeschichte der Ana-Baptisten über die religiöse Verfolgung hin bis zur Besiedlung der USA. Das Gemälde selbst durfte aufgrund Urheberrechten nicht photographiert werden - wusste ich aber erst nach diesem Bild :) .


Eine Besichtigung einer typischen Scheune sowie einer ehemaligen Schule bildeten den zweiten Teil des Besuches. Dort erklärte uns ein Guide zuerst die Praktik des Barn Raisings - die Scheune, in der wir standen, wurde von 118 Mann in noch nicht mal einem Tag komplett errichtet.


Ein Zeichen der Amish Community, die eng beieinander stehen und sich unterstützen. Im Barn befand sich ein Original-Planwagen aus der Besiedlungszeit, in dem eine Familie ihre Habseligkeiten durch die USA auf der Suche nach einem neuen Platz zum Leben transportierte. Der Wagen wurde oftmals so voll beladen mit Hausrat, Proviant etc, dass die Familienmitglieder nebenher laufen mussten. Wir konnten an dem ebenfalls erhaltenen Fettbehälter zum Fetten der Räder riechen - hat mich stark an die kleinen Hütten in Österreich erinnert, in denen Schinken oder Würste geräuchert wurden.



Des Weiteren befanden sich in der Scheune ein kleiner Buggy sowie eine typische Amish Kutsche aus der Gegend - schwarz, mit orangenem Warndreieck auf der Rückseite zur Minimierung von Unfällen. Ich durfte sogar in der Kutsche sitzen, sie war gut gefedert und sehr gemütlich.
Danach besuchten wir das Schulgebäude - die meisten Amish gehen nicht auf die staatlichen Schulen sondern besuchen eine reine Amish Schule in ihrer unmittelbaren Umgebung.



Dort werden in einem Klassenraum ca. 20-25 Kinder aller Altersstufen gleichzeitig unterrichtet, allerdings nicht in allen gebräuchlichen Fächern und stets mit Fokus auf die Bibel sowie mit starkem Praxisbezug. Unser Guide sagte uns, die Kinder dort sollen alles lernen, um im Leben gut zu bestehen, Chemie oder Biologie z.B. wird kaum oder gar nicht vermittelt. Auch beenden die Amish Kinder die Schule in der 8th Grade und dürfen keine weiterführende Schule besuchen oder einen Uni-Abschluss machen. Da in den Familien das sog Pennsylvania Dutch gesprochen wird, lernen die Kinder erst in der Amish Schule Englisch. Einige der Bücher, die dort auslagen waren auf Deutsch geschrieben, unser Guide selbst sprach Deutsch mit schwäbischem Dialekt da seine Vorfahren aus der Schwäbischen Alb kamen. Auch im kleinen Museumsraum fand ich einige Zeitungen, Bibeln und Bücher auf Deutsch, oftmals in der altdeutschen Schriftsprache, die heutzutage nicht mehr geläufig ist, ich aber noch durch meine Oma kenne.



Dieser Einstieg war hervorragend, um die Kultur der Amish besser zu verstehen. Als nächster Stopp stand aber etwas kulinarisches an - es ging zu 'Heinis Cheese Chalet' - ein riesiger Käse-Markt (mit schweizerisch kitschiger Deko), bei dem so gut wie alle Käsesorten probiert werden konnten. Meine Favoriten waren die Smoked Cheeses, die ein schönes Rauch-Aroma aufwiesen, und davon der Smoked Horseradish aufgrund der leichten Schärfe. Auch Fudge gab es zu probieren - für meinen Geschmack allerdings zu süß, viel kann ich davon nicht essen.




Mein nächster Stopp führte mich zur Historic Downtown in Millersburg - klein, aber fein, mit schönen alten Gebäuden entlang der Main Street. Obwohl nicht zum Shoppen gekommen, konnte ich einer Versuchung nicht widerstehen und besuchte ein Antique Geschäft, das - im Gegensatz zu anderen die ich am Samstag besuchte - wirklich schöne alte Sachen hatte und nicht nur schrottigen Krimskrams. Ich erstand eine alte Kodak Kamera mit verstellbarer Blende aus den 60er oder 70er Jahren mit gut erhaltenem Lederetui - für nur 11 USD!









Weiter Richtung Charm zum Guggisberg Swiss Cheese Geschäft - auf dem Weg kam ich an der Hershbergers Farm vorbei, die leider schon geschlossen hatte, aber auf einer Weide nebenan standen Ziegen und Hängebauchschweine. Mit einem kleinen weißen Schwein freundete ich mich an - nachdem ich ihm/ihr die Ohren gekrault und Nase gestreichelt hatte, kam das Schweinchen immer hinter mir her und steckte seinen Kopf durch den Zaun. Nebenan auf einer Weide waren weitere Ziegen und Pferde mit ihren Fohlen untergebracht.





Das Guggisberg Swiss Cheese hatte schon geschlossen - das Restaurant schien gut besucht, auch von Amish - gut erkennbar an der geparkten Kutschen. Gegenüber des Restaurants lag der kitschigste Park, den ich seit langem gesehen hatte - incl Gartenzwerg, Plastikbären und allerlei schweizerischem Dekor. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten...








Langsam hatte ich Hunger, aber keine Lust, alleine in einem der - typisch deutschen - Lokale zu sitzen. Es passte sich sehr gut dass in meinem Amish Guide auch ein kleiner familiengeführter Supermarkt mit Deli-Theke empfohlen wurde - dort kaufte ich frisches Chicken aus der Region mit Bohnengemüse und einen Rotwein. Beides genoß ich auf meinem Balkon im Hotel - das Hähnchen war hervorragend, der Wein für meinen Geschmack etwas zu süß, aber ich wollte etwas lokales probieren - und war aus Ermangelung eines Weinöffners auf Schraubverschluss angewiesen.



Auch nach dem Sonnenuntergang war das Hotel-Resort schön anzuschauen, See und kleiner Wasserfall waren stimmungsvoll beleuchtet und am Feuer Pit saßen Paare. Eine Sternschnuppe flog am Himmel gerade als ich hinaufsah - ein gutes Zeichen.






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(Albert Einstein)